Google-Fonts: „Abmahnern“ wurde Riegel vorgeschoben
Verdacht auf versuchten Abmahnbetrug & Erpressung durch Abmahnungen bei Verwendung von dynamisch in Webseiten eingebundenen Google Fonts.
Mehrere Abmahner hatten die Betreiber von Internetseiten unter Druck gesetzt. Dabei hatte sich insbesondere der in Berlin niedergelassene Rechtsanwalt Kilian Lenard und sein Mandant Ismail, der angebliche Repräsentant einer „IG Datenschutz“, besonders hervorgetan. Diese erhielten nun „Besuch“ von der Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft Berlin: Durchsuchungen wurden in Berlin, Hannover, Baden-Baden und Ratzeburg durchgeführt und dabei zahlreiche Unterlagen und Datenträger beschlagnahmt.
Der Grund: Verdacht des (teils) versuchten Abmahnbetruges und der (versuchten) Erpressung in mehr als 2.000 Fällen! Die Beamten vollstreckten zudem Arrestbeschlüsse und stellten dadurch Gelder sicher!
Wie kam es dazu? Mit massiver Unterstützung durch die Handelsverbände, allen voran dem Handelsverband Deutschland (HDE) und seiner Landes- und Regional- und Fachverbände, sammelte der Deutsche Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität (DSW) Informationen über erfolgte Abmahnungen. Dadurch konnten zahlreiche Beschwerden gebündelt und gefiltert werden.
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin vermeldete hierzu: „420 Anzeigen von ‚Abgemahnten‘, die letztlich nicht gezahlt haben, liegen der Staatsanwaltschaft Berlin inzwischen vor. Aus der Auswertung der Kontounterlagen der Beschuldigten ergibt sich indes, dass etwa weitere 2.000 Personen das ‚Vergleichsangebot‘ aus Sorge vor einem Zivilverfahren und in der unzutreffenden Annahme, der behauptete Anspruch bestünde tatsächlich, angenommen und gezahlt haben.“ Die Dunkelziffer, so vermutet man, läge noch weitaus höher. Doch die bei den Durchsuchungen sichergestellten Beweismittel müssen weiter gesichtet und ausgewertet werden. Die Berliner Staatsanwälte: „Sie sollen unter anderem über die Anzahl, Auswahlkriterien und Identität, die tatsächlichen Umsätze und die genaue Vorgehensweise weiteren Aufschluss geben.“
Der rechtliche Hintergrund ist komplex. Aus einem Urteil vom Landgericht München (20. Januar 2022, Az.3 O 17493/20) konstruierten die Beschuldigten bei der Verwendung von Google Fonts einen Schmerzensgeldanspruch von Herrn Ismail als Repräsentant der „IG Datenschutz“ wegen Datenschutzverletzungen. Tausendfach wurden Webseitenbetreiber, die Google Fonts nutzen, dann von Rechtsanwalt Lenard angeschrieben. Das „Schmerzensgeld“ für Ismail sollte durch die Annahme eines Vergleichsangebots und Zahlung von 170 Euro abgegolten werden. Dabei setzten die Abmahnabzocker auf den Unterlassungsanspruch unbedarfter Nutzer der Webseite. Im Einzelfall könnte das durchaus rechtens sein. Aber, so die Generalstaatsanwaltschaft Berlin: „Die Beschuldigten aber sollen gerade nicht unbedarft gewesen sein: Mittels einer eigens dafür programmierten Software sollen sie zunächst Websites identifiziert haben, die Google Fonts nutzen. In einem zweiten Schritt und wieder unter Nutzung einer dafür entwickelten Software sollen Sie Websitebesuche durch den beschuldigten 41‑jährigen automatisiert vorgenommen, diese letztlich also fingiert haben.“ Die so protokollierten Webseitenbesuche und die bewusste Auslösung der Weitergabe der IP-Adresse an Google benutzte man dann als Druckmittel. Der angebliche Datenschutzverstoß und damit Abmahngrund ist also mehr als fraglich, so die Staatsanwaltschaft: „Die Beschuldigten sollen daher darüber getäuscht haben, dass eine Person die Websites besucht hat (und nicht tatsächlich eine Software). Mangels Person läge dann aber keine Verletzung eines Persönlichkeitsrechts vor.“ Zudem gibt es Schriftwechsel, bei dem der Anwalt in einem Vorgang zunächst die Vertretung eines Herrn Ismail, und dann die Vertretung einer Frau Ismail behauptete, was den Verdacht der unrechtmäßigen Abmahnungen noch erhärtete.
Zwar ist das Verfahren noch nicht beendet, aber die Schärfe der Vollstreckungsmaßnahmen dürfte – unabhängig vom Ermittlungsergebnis – eine erhebliche und nachhaltige Abschreckungswirkung auf andere Abmahner haben.