Arbeits- und Sozialministerkonferenz in Perl
Die Arbeits- und Sozial(staats)minister:innen und Senator:innen der Länder haben sich auf die Stärkung des inklusiven Arbeitsmarktes, die Mitbestimmung bei Transformationsprozessen, die Stärkung niedrigschwelliger Hilfen und weitere Maßnahmen verständigt.
Am 30. November und 1. Dezember 2022 fand die 99. Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) unter saarländischem Vorsitz in Perl statt. Nach zwei Jahren digitaler Konferenzen konnte das diesjährige Treffen wieder in Präsenzform stattfinden.
Der Vorsitzende der ASMK, der saarländische Arbeits- und Sozialminister Dr. Magnus Jung, stellte heute auf einer Pressekonferenz gemeinsam mit der Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales Berlin, Katja Kipping, der Senatorin für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration in Hamburg Dr. Melanie Leonhard und Nordrhein-Westfalens Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Karl-Josef Laumann, die Beschlüsse der Konferenz vor.
Soziale Härten des Ukraine-Krieges abfangen
Die ASMK sieht die Bundesrepublik insbesondere durch die Energie-Krise, die Flucht- und Migrationsbewegung sowie die daraus resultierende Verschärfung sozialer Probleme vor große Herausforderungen gestellt. Diese können nur in gemeinsamer Verantwortung von Bund, Ländern, Kommunen und Zivilgesellschaft bewältigt werden. Der drohende Wohlstandsverlust hat zudem Potenzial die Gesellschaft zu spalten und demokratische Strukturen in Frage zu stellen. Mit ihrem Leitantrag, der schon im Vorfeld der Konferenz große Einigkeit erzielte, fordert die ASMK die Bundesregierung daher auf, Hilfsangebote und Unterstützungsmaßnahmen zu schaffen, um die sozialen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die Lebenssituation in Deutschland abzumildern.
Im Zuge der Fluchtbewegungen hat die ASMK daneben auch beschlossen, dass frühzeitig eine gezielte Planung der Versorgung Geflüchteter aus der Ukraine mit Pflege- und Unterstützungsbedarf angestrebt werden soll. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird gebeten, diesen Menschen Zugang zu den ambulanten und stationären Leistungen der Regelsysteme der Eingliederungshilfe und Pflege zu gewährleisten, sofern die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen sowie die jeweiligen leistungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Teilhabe am Arbeitsleben stärken – Inklusiven Arbeitsmarkt ausbauen
Sozialminister Dr. Magnus Jung: „Die Chancen von Menschen mit Behinderungen zur Teilhabe am allgemeinen Arbeitsleben sind weiterhin nicht vollumfänglich gegeben und bleiben hinter den Möglichkeiten zurück. Auch die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen ist im Jahresdurchschnitt 2021 wieder gestiegen. Es ist daher dringend erforderlich, den Übergang aus den WfMB auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verstärken.“ Die ASMK bittet daher die Bundesregierung, alle in Betracht kommenden Maßnahmen in Form von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften, Richtlinien sowie anderen Instrumenten und Methoden zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zu ergreifen.
Nur so kann die fehlende Chancengleichheit für die Menschen mit Behinderungen am allgemeinen Arbeitsmarkt herbeigeführt werden und die sozialen, ökonomischen und infrastrukturellen Hemmnisse sowie sonstigen Barrieren abgebaut werden. Daneben soll geprüft werden, eine vierte Stufe der Ausgleichsabgabe für jene einzuführen, die trotz Beschäftigungspflicht keine Menschen mit Behinderungen beschäftigen.
Doppelbelastung von französischen Grenzpendlern beenden
Für knapp 50.000 französischen Grenzgänger:innen werden die anfallenden Steuern durch das seit dem 1. Januar 2016 in Kraft getretene deutsch-französische Steuerabkommen im Wohnsitzstaat Frankreich abgeführt. Mit Beginn der Corona-Pandemie ist allerdings eine hohe Anzahl der französischen Einpendelnden von Kurzarbeit betroffen. Diese werden aufgrund der Berechnungsmethode des Kurzarbeitergeldes durch einen Abzug eines fiktiven Steuerbetrags in Deutschland sowie die parallele Besteuerung in Frankreich benachteiligt und doppelt belastet. Diese Schlechterstellung der Grenzgänger:innen hat auch das Bundessozialgericht (BSG) Ende 2021 bestätigt.
Bereits auf der diesjährigen Amtschefkonferenz der Arbeits- und Sozialministerkonferenz hat das Bundeministeriums für Arbeit und Soziales zugesagt, prüfen zu wollen, wie das Bemessungsrecht des Kurzarbeitergeldes im Lichte der erneuten Rechtsprechung des BSG angepasst werden kann. Dieser angekündigten Prüfung folgte nun vor wenigen Tagen die Zusage, dass die Doppelbesteuerung für Grenzgänger entfallen soll. Arbeitsminister Jung: „Die ASMK begrüßt die geplante Neureglung die künftig für mehr Gerechtigkeit bei der Besteuerung sorgt.“
Transformation ist mitbestimmungspflichtig
Die Länder sind sich in ihrer übergroßen Mehrheit einig, dass die betriebliche Mitbestimmung weiter reformiert werden muss. Die punktuellen Verbesserungen durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz und die geplanten Verbesserungen durch die Bundesregierung sind nicht ausreichend, um den Herausforderungen der Arbeitswelt der Zukunft gerecht zu werden. Will man die Transformationsprozesse nachhaltig ausgestalten, bedarf es daher einer grundlegenden Reform des Betriebsverfassungsgesetzes. Arbeitsminister Jung betont dazu: „Da der Wandel der Arbeitswelt nicht über die Köpfe der Arbeitnehmer hinweg, sondern nur gemeinsam mit ihnen gelingen kann, ist Mitbestimmung der Schlüssel zum Erfolg. Die bisherige Erfahrung hat gezeigt, dass Unternehmen mit einer aktiven Mitbestimmung innovativer, wirtschaftlich erfolgreicher und nachhaltiger sind. Durch Interessenvertretungen können echte Erfolge für die Belange der Beschäftigten erzielt, aber ebenso Beiträge zum Erhalt und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen geleistet werden. Aus diesem Grunde setzt sich die ASMK dafür ein, dass das BMAS Vorschläge für die Erweiterung des Anwendungsbereichs des Betriebsverfassungsgesetzes erarbeitet.“
Fachkräftesicherung betreiben: Erleichterungen bei Zuwanderung, Aktivierung ungenutzter Potenziale
„Der Fach- und Arbeitskräftemangel ist bereits heute eine der zentralen Herausforderungen. Es ist absehbar, dass sich die Situation weiter verschärfen wird. Umso wichtiger ist es, entschieden entgegenwirken. Dafür dürften wir aber nicht nur eines, sondern müssen alle uns zur Verfügung stehenden Mittel ergreifen“, sagt Hamburgs Arbeits- und Sozialsenatorin Dr. Melanie Leonhard.
Für Fachkräfte wurde das Zuwanderungsverfahren mit der Abschaffung der Vorrangprüfung jüngst bereits wesentlich vereinfacht. Doch zunehmend können auch Ausbildungsplätze oder Stellen, für die keine gesonderte Qualifikation erforderlich ist, von Unternehmen nicht mehr besetzt werden. Auch für solche Bereiche soll nach Auffassung der Länder daher die Vorrangprüfung gestrichen werden, um Zugewanderte besser in den Arbeitsmarkt einbeziehen zu können.
Die Ausbildung ist ein weiterer Hebel zur Sicherung des Fach- und Arbeitskräftemangels. Die Arbeits- und Sozialminister:innen fordern daher in einem Beschluss die Verlängerung eines bestehenden Förderprogramms in der Pflegeausbildung. Sie setzen sich zudem dafür ein, die Erwerbsbeteiligung zugewanderter Frauen zu erhöhen, etwa durch mehr niedrigschwellige und quartiersnahe arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und Angebote der Sprachförderung sowie eine Verbesserung der zielgruppenspezifischen Beratung in Arbeitsagentur und Jobcenter.
Stärkung niedrigschwelliger Hilfen
Minister Karl-Josef Laumann: „Ich freue mich sehr, dass die ASMK den Bund auffordert, dass niedrigschwellige Hilfen im Rahmen der Pflege zu Hause stärker als bisher gefördert und von bürokratischen Anforderungen entlastet werden sollen. Die häusliche Versorgung ist nach wie vor die wichtigste Säule der Pflege. Die Pandemie hat die Wirksamkeit von niedrigschwelliger Unterstützung im Alltag etwa im Rahmen von Nachbarschaftshilfe als Ergänzung zur professionellen Pflege einmal mehr unter Beweis gestellt. Die Vereinfachungen bei Inanspruchnahme und Abrechnung während der Pandemie haben sich bewährt. Wir hoffen nun, dass der Bund die Rahmenbedingungen solcher niedrigschwelliger Angebote schnell an die Versorgungsrealität anpasst.“
Housing first soll Leitmotiv in der Wohnungslosenarbeit werden – nicht nur in Berlin
Wohnen ist ein Menschenrecht. Und dennoch ist Obdachlosigkeit vor allem in Großstädten ein Problem. Berlin präsentiert im Rahmen seines ASMK-Vorsitzes 2023 Housing First als den erfolgreichen Weg, um obdachlosen Menschen dauerhaft eine Wohnung zu vermitteln. Senatorin Katja Kipping: „Wir arbeiten daran, dass Housing First vom Pilotprojekt zum Leitmotiv der Wohnungslosenhilfe wird, nicht nur in Berlin. Obdachlosigkeit dauerhaft zu besiegen – auf dieses Ziel wollen wir Politik, soziale Träger, Wohnungswirtschaft und Verwaltung verpflichten.“ Berlin wird sich im kommenden Jahr auch für die Belange Langzeiterwerbsloser engagieren und den Fachkräftebedarf thematisieren. Auch auf Menschen mit Behinderungen wird das Augenmerk liegen. Und schließlich bleibt die andauernde Covid 19-Pandemie und Erleichterungen für Betroffene eine Herausforderung.
Quelle:
Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit
Franz-Josef-Röder-Straße 23
66119 Saarbrücken
02.12.2022