BAG-Urteil: Darlegungslast bei Fortsetzungserkrankungen
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Arbeitnehmer, die einen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall geltend machen, ihre Erkrankungen offenlegen müssen, wenn es um die Frage geht, ob eine Fortsetzungserkrankung vorliegt.
Beschäftigte bekommen im Krankheitsfall in der Regel sechs Wochen lang ihr Gehalt weiter.
Wenn Mitarbeitende wegen mehrerer Erkrankungen insgesamt länger als sechs Wochen ausfallen und deswegen länger Entgeltfortzahlung in Anspruch nehmen wollen, müssen sie den Nachweis erbringen, dass es sich auch tatsächlich um verschiedene Erkrankungen handelt.
Dafür müssen Beschäftigte dem Arbeitgeber alle relevanten Daten offenlegen und gegebenenfalls auch Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbinden. Eine ärztliche Erstbescheinigung genügt als Nachweis nicht mehr.
Das hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt in einem aktuellen Urteil entschieden.
Dem BAG lag folgender Fall zur Entscheidung vor:
Der Kläger war in den Jahren 2019 und 2020 insgesamt 110 Tage krankgeschrieben. Während dieser Zeit erhielt er Entgeltfortzahlung.
Im Zeitraum August bis September 2020 erkrankte der Kläger erneut. Für diese weiteren Fehltage lehnte die Beklagte eine weitere Entgeltfortzahlung mit der Begründung ab, dass sie davon ausgehe, dass es sich um Fortsetzungserkrankungen handle, für die der Zeitraum der Entgeltfortzahlung überschritten sei.
Dagegen klagte der Kläger und legte als Nachweis für das Vorliegen unterschiedlicher Erkrankungen mehrere ärztliche Erstbescheinigungen mit entsprechenden Diagnose Codes (ICD-10-Codes) vor.
Die Erkrankungen aus der davorliegenden Zeit wollte er aus Datenschutzgründen jedoch nur teilweise offenlegen.
Der Beklagten reichte dies nicht aus. Sie verweigerte auch nach diesen Auskünften die Lohnfortzahlung.
Das Bundesarbeitsgericht urteilte zugunsten der Arbeitgeberin.
Wenn ein Arbeitnehmer innerhalb von sechs Monaten oder bei häufiger auftretenden Erkrankungen innerhalb von zwölf Monaten insgesamt länger als sechs Wochen krank ist, dann gilt, so das Gericht, eine abgestufte Darlegungslast.
Zunächst haben Arbeitnehmer anhand einer ärztlichen Bescheinigung darzulegen, dass keine Fortsetzungserkrankung vorliegt. Wird dies jedoch vom Arbeitgeber bestritten, dann muss der Mitarbeitende konkrete Tatsachen vortragen, die eine Fortsetzungserkrankung ausschließen.
Das bedeutet, er hätte für den gesamten Zeitraum erklären müssen, welche Erkrankungen herrschten und welche Auswirkungen diese auf seine Arbeitsunfähigkeit hatten. Dazu gehört auch, Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden.
Das hat der Kläger nicht getan. Er hat selbst ausgewählt, welche Arbeitsunfähigkeiten er offengelegt und welche nicht.
Die Offenlegung von Gesundheitsdaten ist zwar ein Eingriff in das grundrechtlich geschützte Recht auf informelle Selbstbestimmung und in den Datenschutz, sei aber aus Sicht der BAG, gerechtfertigt, da nur so geklärt werden könne, ob ein weiterer Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht.
Quelle:
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.01.20235, AZR 93/22
Bundesarbeitsgericht
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18.07.23