Urteil: Arbeitszeitkonto – Belastung mit Minusstunden durch den Arbeitgeber erfordert eine Betriebsvereinbarung
Das Arbeitsgericht Gera hat entschieden, dass die Belastung mit Minusstunden durch den Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung erfordert.
Der Fall: Ein Arbeitnehmer hatte gegen seinen Arbeitgeber geklagt, da dieser aufgrund eines Lieferengpasses Minusstunden auf dem Arbeitskonto des Arbeitnehmers eingetragen hat, um Kurzarbeit zu vermeiden.
Der Arbeitgeber wollte insoweit den Nachteil für den Arbeitnehmer vermeiden, dass er Verdiensteinbußen erleidet, wenn Kurzarbeit angemeldet wird.
Die Parteien haben in einer Betriebsvereinbarung ein Arbeitszeitkonto geregelt.
Das Arbeitsgericht sieht in der Regelung eines Arbeitszeitkontos aber nicht die Möglichkeit Negativstunden anzuordnen.
Dafür bedürfe es nach Auffassung des Gerichts einer gesonderten Betriebsvereinbarung.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts setzt das Arbeitszeitkonto für die Belastung mit Minusstunden voraus, dass der Arbeitgeber diese Stunden im Rahmen einer ständigen Vergütung entlohnt hat und der Arbeitnehmer dahingehend zur Nachleistung verpflichtet ist, weil er die in Minusstunden ausgedrückte Arbeitszeit schon vorschussweise vergütet erhalten hat.
Nach Auffassung des Arbeitsgerichts spiegelt dies den Fall wider, dass der Arbeitnehmer allein darüber entscheiden kann, ob, ob eine Zeitschuld entsteht oder nicht.
Dagegen habe der Arbeitgeber das Risiko zu tragen, dass aufgrund eines Arbeitsausfalls die Einsatzmöglichkeit des Arbeitnehmers eingeschränkt ist.
Der beklagte Arbeitgeber kann nach Anwendung dieser Grundsätze das Arbeitszeitkonto des Arbeitnehmers nicht mit Minusstunden belasten, so die Richter.
Entscheidend sei, dass der Arbeitnehmer nicht alleine darüber entscheiden konnte, wann er die von ihm geleistete Arbeitszeit erbringt. Insoweit befinde sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug.
Ferner stellte das Gericht klar, dass eine einseitige Verkürzung der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber nicht zulässig sei. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers berechtigt nicht dazu.
Das Weisungsrecht gibt dahingehend nur die Berechtigung, die Lage der Arbeitszeit einseitig festzulegen. Der Umfang der Arbeitszeit gehört – nach Auffassung des Gerichts – zum Kernbestand des arbeitsvertraglichen Austauschverhältnisses und ist daher nicht vom Direktionsrecht umfasst.
Der beklagte Arbeitgeber berief sich darüber hinaus auf die nach seiner Auffassung erfolgte Mitbestimmung des Betriebsrates. Insoweit hatte der Arbeitgeber den Betriebsrat informiert und dieser in einem Gespräch der Maßnahme auch zugestimmt.
Das Gericht hat mit seinem Urteil darauf hingewiesen, dass in Ermangelung einer schriftlichen Niederlegung und Unterzeichnung der Betriebsratszustimmung die Anordnung der Minusstunden nicht unmittelbar und zwingend für die Arbeitnehmer gelten kann.
Der Arbeitgeber kann, nach Auffassung des Gerichts, auf die Finanzierung der Kurzarbeit über die Bundesagentur für Arbeit verzichten, darf aber nicht die Finanzierung über die Arbeitszeitkonten seiner Mitarbeiter vornehmen.
Instanzen: Arbeitsgericht Gera Urteil vom 14.02.2024, Az.: 1 Ca 87/23