Urteil: Gewerkschaften haben nicht immer ein digitales Zugangsrecht zum Betrieb

Veröffentlicht am: 9. April 2025|Kategorien: Urteile/Rechtsprechung|

Urteil. Gewerkschaften haben ein berechtigtes Interesse Arbeitnehmer als neue Mitglieder anzuwerben. Dabei werden auch vermehrt die digitalen Möglichkeiten genutzt. Mit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt vom 28. Januar 2025 wurde nun entschieden, dass ein Arbeitgeber nicht verpflichtet ist der für ihn tarifzuständigen Gewerkschaft die dienstlichen E-Mailadressen seiner Arbeitnehmer zum Zwecke der Mitgliederakquise zu übermitteln. Im konkreten Fall ging es um die Frage, wie Gewerkschaften Arbeitnehmer erreichen können, die häufig mobil arbeiten und nur noch selten an ihrem Arbeitsplatz im Betrieb anzutreffen sind.

Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Geklagt hatte die Gewerkschaft. Mit ihrer Klage verlangte sie vom Arbeitgeber die Herausgabe dienstlicher E-Mail-Adressen von Beschäftigten oder zumindest einen Gastzugang über eine eigene E-Mail-Adresse. Die Mitarbeiter des Arbeitgebers sind mit mobilen Endgeräten sowie persönlichen E-Mailadressen ausgestattet. Letztere können nur von der Beklagten generiert werden. Darüber hinaus haben die Mitarbeiter des Arbeitgebers Zugang zum Intranet und einem betriebsinternen Kommunikationstool.

Die klagende Gewerkschaft verwies bei ihrem Begehren auf ein digitales Zugangsrecht für ihre Mitgliederwerbung und auch -information. Begründet wurde dies mit der durch Art. 9 III Grundgesetz (GG) verfassungsrechtlich geschützten Betätigungsfreiheit. Daraus ergebe sich ein Recht auf Zugang zu den digitalen Kommunikationswegen, weswegen der Gewerkschaft alle aktuellen und zukünftigen dienstlichen E-Mailadressen der im Betriebt angestellten Mitarbeiter herauszugeben seien. Die Beklagte hingegen vertrat die Ansicht, dass es bei der Klägerin geltend gemachten Ansprüchen an einer Rechtsgrundlage fehle. Die Betriebsorganisation und damit verbunden auch die Kommunikation sei trotz der Ausstattung der Mitarbeiter weiterhin auf eine Präsenz im Betrieb vor Ort ausgelegt. Des Weiteren wurden von ihr datenschutzrechtliche Bedenken geäußert.

Das BAG hat die Revision nun als unbegründet zurückgewiesen, da die Klägerin keine Übermittlung der betrieblichen E-Mailadressen verlangen kann. Zwar gewährleiste Art. 9 III GG grundsätzlich die Befugnis, betriebliche E-Mailadressen der Arbeitnehmer zum Zwecke der Werbung und Information zu nutzen. Allerdings müssen die kollidierenden Verfassungswerte in Ausgleich gebracht werden. So seien die Grundrechte aus Art. 14 und Art. 12 GG auf Seiten der Arbeitgeberin betroffen. Aber auch die Grundrechte der Arbeitnehmer aus Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG bzw. Art. 8 GRCh (Grundrechtscharta) seien tangiert. Insoweit blieb die Klage erfolglos, denn die bloße Übermittlung der betrieblichen E-Mail-Adressen „ermöglicht keine – die kollidierenden Verfassungswerte ausgleichende – Ausgestaltung der Koalitionsbetätigungsfreiheit“. Damit hat das BAG mit seiner Entscheidung grundrechtlich garantierte Zugangsrecht in dem von der Gewerkschaft begehrten Umfang verneint.

BAG, Urt. v. 28.01.2025, Az. 1 AZR 33/24

 

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