Keine automatische Verjährung des Resturlaubs
Bundesarbeitsgericht nimmt Arbeitgeber in die Pflicht: Ohne Vorwarnung, keine Verjährung des Urlaubsanspruchs
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Urlaub nicht automatisch nach drei Jahren verfällt, wenn Arbeitgeber ihrer Informationspflicht nicht nachgekommen sind.
Grundsätzlich unterliegt der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub der gesetzlichen Verjährung. Nach der nun neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes beginnt die dreijährige Verjährungsfrist aber erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken, oder aus gesundheitlichen Gründen, nicht genommen hat.
In den zu entscheidenden Fällen hatte der Arbeitgeber die Kläger nicht durch Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Die Ansprüche verfielen deshalb weder am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG) noch konnte der Beklagte mit Erfolg einwenden, der nicht gewährte Urlaub sei bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von drei Jahren verjährt.
Auch bei einer langandauernden Erkrankung sind diese Besonderheiten zu berücksichtigen.
Nach bisheriger Rechtsprechung gingen die gesetzlichen Urlaubsansprüche in einem solchen Fall – bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit – ohne weiteres mit Ablauf des 31. März des zweiten Folgejahres unter („15-Monatsfrist“). Diese Rechtsprechung hat Das BAG in Umsetzung der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs aufgrund der Vorabentscheidung vom 22. September 2022 (- C-518/20 und C-727/20 – [Fraport]), weiterentwickelt.
Danach verfällt weiterhin der Urlaubsanspruch mit Ablauf der 15-Monatsfrist, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert war, seinen Urlaub anzutreten. Für diesen Fall kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist, weil diese nicht zur Inanspruchnahme des Urlaubs hätten beitragen können.
Anders verhält es sich jedoch, wenn der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet hat, bevor er z.B. voll erwerbsgemindert oder krankheitsbedingt arbeitsunfähig geworden ist. In dieser Fallkonstellation setzt die Befristung des Urlaubsanspruchs regelmäßig voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in die Lage zu versetzt hat, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Dezember 2022 – 9 AZR 245/19 –
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Dezember 2022 – 9 AZR 266/20 –
Vor diesem Hintergrund rät der Handelsverband Südwest den Unternehmen – – soweit noch nicht erfolgt – in ihren Bilanzen Rückstellung für noch nicht genommene Urlaubstage vorzunehmen, sofern bisher nicht die Arbeitnehmer über ihren konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt worden sein sollten.
Quelle:
Pressemitteilung 47/22 & 48/22
Bundesarbeitsgericht
Hugo-Preuß-Platz 1
99084 Erfurt
Handelsverband Südwest e.V.
Ludwigsstraße 7
55116 Mainz